So hat unser Abenteuer begonnen. Am heutigen 100. Tag sitzen wir in Finnland auf einer der Schäreninseln 25 Meter vom Meer entfernt und geniessen die tolle Natur. Von Wald eingesäumt und gespickt mit Heidelbeersträuchern (Roger liebt Beeren über alles). Genau das ist es, warum wir es getan haben und geniessen. Wir könnten hier aufhören mit Schreiben, aber das wäre zu einfach.
Der einfache Start
Der Start in Kroatien war sehr einfach. Es fühlt sich an wie Urlaub, wie jeder Urlaub halt. Nach einer gewissen Zeit geht man nach Hause in die Wohnung und tags darauf zur Arbeit. Bis wir realisiert haben, dass wir weder das eine noch das andere haben, braucht eine lange Zeit. Bei mir (Roger) hat es sicherlich zwei Monate gedauert. Der Mensch als Gewohnheitstier und Sicherheitsjunkie. Diese Eigenschaften muss man erst lernen abzulegen. Erst dann, und wirklich erst dann, kann man sich in das neue Leben auch geistig eintauchen. Ganz nach dem Motto: Live begins at the end of your comfort zone.
Die 100 wird voll
100 Tage – ist das viel oder wenig. Diese 100 ist schwierig einzustufen. Denn erstens waren von den 100 Tagen 34 Tage in der Schweiz unterwegs und zweitens erlebt man so viel, dass man über das Zeitgefühl ab und an die Kontrolle verlieren kann. Wenn in Polen am Sonntag die Läden geschlossen waren und wir vor verschlossenen Türen standen, wussten wir auch wieder, welcher Tag ist. In diesen 100 Tagen haben wir so viele unterschiedliche Sachen erlebt und gesehen, da merkt man gar nicht, wie schnell die Zeit vergeht. Wir durften wunderschöne Orte entdecken, tolle Menschen kennen lernen, neue Kulturen und Sprachen erleben und geniessen das Leben mit und in der Natur. Die bisher besuchten Länder haben uns auf ihre Weise mehr oder weniger berührt. Bei einigen Ländern fällt der Abschied etwas leichter, bei anderen möchte man am liebsten gar nicht mehr ausreisen.
Das Reisen im allgemeinen ist sehr einfach und wir erfahren keinerlei Einschränkungen oder Gefahren in unserem täglichen Leben. Im Gegenteil. Litauen – ein Bauer bringt uns selbst gemachten Schafskäse vorbei. Helsinki – wir werden an einer Ampel von Auto zu Auto angesprochen und herzlichst begrüsst in Finnland. Estland – es gab während unserem Aufenthalt keine Maskenpflicht und keinerlei spürbaren Einschränkungen. So besuchten wir auch unser erstes Musikfestival seit einer langen Zeit. Es war ein schönes Gefühl und eine interessante Abwechslung im Reisealltag.
Die neuen Urlaubsländer?
Wer kennt Personen die nach Polen oder in die baltischen Staaten in den Urlaub fahren? Ausgenommen diejenigen, welche Verwandte dort haben. Diese Anzahl ist wohl sehr klein. Warum eigentlich? Wieso fahren oder fliegen die meisten Leute immer in die bekannten Länder? Ist es die Angst vor dem Unbekannten oder kann man sich nicht vorstellen, dass es in Lettland keine schönen Strände geben kann. Wir nehmen uns bei diesem Gedankenspiel nicht raus, wir handelten bisher genau gleich. Vielleicht überlegst du dir gerade jetzt, ob du nicht mal einen Städtetrip nach Riga machen sollst, so als Einstieg.
Uns fragten schon mehrere Einheimische, warum wir hier sind und nicht in der Schweiz Urlaub machen. Dort ist es doch so schön und wir haben tolle Berge. Wir antworten jeweils, dass wir wegen ihm/ihr da sind und das Land kennen lernen möchten. Und dass wir das erste Mal hier sind und das Land sehr schön finden. Das ist überhaupt nicht gelogen oder geheuchelt. Jedes bisher besuchte Land auf unserer Reise hat uns sehr gefallen und würden es sofort wieder besuchen.
Der Reisealltag muss bewältigt werden
Der Reisealltag ist nicht immer nur „judihui und trallala“. Man muss sich immer wieder neu erkunden und erfinden. Wo kriegen wir etwas zu essen her und wo kann man tanken. Das sind noch die leichtesten Übungen. Trinkwasser ist so ein Thema. Nicht überall kann man das Wasser aus dem Wasserhahn trinken, ausser man will die kommenden Stunden auf dem stillen Örtchen verbringen. Riecht das Wasser nach Schwefel oder doch nach Eisen, wie ab uns zu in Lettland und Litauen der Fall ist. Und nein, wir wollen kein Wasser im Supermarkt kaufen.
Unser Pucci braucht ab und an mal AdBlue, kriegt man auch nicht an jeder Tankstelle. Wo schlafen wir in der kommenden Nacht. Schlafen wir wild oder doch auf dem Camping. Was kann man sich überhaupt ansehen in der Region. Es gibt also einiges zu regeln und sich zu informieren. Dank der heutigen Kommunikation ist das Reisen jedoch einfacher geworden als noch vor dem Smartphone. Heute nervt es höchstens mal, wenn der Empfang mies ist. Und das ist Jammern auf hohem Niveau.
Die bisherige Reise in Zahlen
Aktuell hat unser Pucci 9233 km mehr auf dem Tacho als vor 100 Tagen. Gerne würden wir die Anzahl Kilometer pro Tag reduzieren. Aber in den skandinavischen Ländern wird das nicht einfacher werden. Von den 100 Tagen sind wir an 51 Tagen mit Pucci unterwegs. Das finden wir doch einen guten Wert. Mit den Durchreiseländern Italien und Slowenien, haben wir bereits 10 Länder bereist. Wir standen bisher auch unter einem tollen Wetterstern. Es hat keine 10 Tage geregnet und bis auf wenige sehr heisse Tage bei 35° Celsius geniessen wir den tollen Sommer. Es ist für uns unglaublich, was im weiten Teilen von Europa und der Welt aktuell abgeht mit dem Wetter.
Barbaras persönliche Gedanken
Es erfüllt mich auch mit grosser Dankbarkeit, dass wir dieses Privileg erleben dürfen. Gerade vorhin lag ich am Ende meiner Yoga Lektion auf der Matte und habe die Wolken beim Vorbeiziehen beobachtet während dem seichte Wellen ans Ufer plätscherten. Dieses intensive Wahrnehmen der Natur erfüllt mich mit grossem Frieden. Solche Momente kommen im Arbeitsleben meistens zu kurz und/oder werden viel zu selten bewusst wahrgenommen.
Danke an alle tollen Kommunikationtools
Klar vermissen wir Freunde und Familie, aber mittels Online Apéro und Videochat kann man jegliche Hürden nehmen. Dadurch kann die Distanz temporär verkürzt werden. Und durch Corona sind wir uns Abstand halten leider bereits gewohnt. Zudem sind wir gegen Ende dieses Jahres wieder kurz in der Schweiz. Also wenn ihr Lust auf Apéro oder ein Treffen habt, einfach melden.
Kleiner Ausblick in die Zukunft
Wie wir aktuell reisen, gefällt es uns sehr. Es könnten, wie erwähnt, etwas weniger Kilometer sein. In Finnland und Skandinavien allgemein werden wir mehr frei stehen und weniger auf Campings übernachten. Die Städte werden weniger und kleiner und die Natur wilder und einsamer. Und uns erwartet ein Herbst im hohen Norden und der damit verbundenen Farbenpracht. Wir freuen uns wie kleine Kinder auf die kommenden Wochen.
Dankbarkeit macht sich bei uns breit, dass wir diese Reise so erleben dürfen. Es waren auch einige Entbehrungen nötig dafür und doch ist es ein schönes Privileg.
Alles zusammengefasst geht es uns körperlich und geistig super und wir geniessen den aktuellen Zustand sehr. Wir freuen uns auf die weiteren Tage und dass es am Ende ganz viele sind.