Der schlimmste Grenzübertritt in die Türkei

Nach der unproblematischen Ausreise aus Georgien, folgt das für mich bisher schlimmste Erlebnis unserer Reise. Beim Grenzübertritt darf nur der Fahrzeugbesitzer mit dem Fahrzeug über die Grenze, Beifahrer müssen zu Fuss den Zoll passieren. Bevor wir in die Türkei einreisen können, benötigen wir Geduld. Viel Geduld.

Nachdem mich die georgischen Grenzbeamten freundlich verabschiedet haben, muss ich durch einen gläsernen Korridor und ich stelle mich ans Ende der bereits grossen Menschenmenge. Die Sonne brennt auf die Scheiben und die Temperatur steigt kontinuierlich. In einer Stunde bewegt sich die Masse nur wenige Meter voran. Von hinten werden es immer mehr Menschen. Das Gedränge wird grösser. Die Temperatur ist inzwischen sehr heiss. Ich bin von schwitzende Menschen umgeben, ohne Chance auf Vermeidung von Körperkontakt.

Zwei Stunden später erreiche ich eine Halle und sehe endlich die wenigen Grenzkontrollbeamten in der Ferne. Das Gedränge wird noch grösser, die Temperatur gleicht inzwischen gefühlt derjenigen einer finnischen Sauna. Klimatisiertes Gebäude? Fehlanzeige. Immer wieder kollabieren Personen und müssen auf die Seite getragen werden. Die Grenzpolizei sieht es. Kommen sie zu Hilfe? Fehlanzeige! Solidarität und Hilflosigkeit bei den Wartenden macht sich breit und man hilft sich gegenseitig. Wasserflaschen werden durch die Menge weitergereicht und man kümmert sich um die am Boden liegenden Personen. Familien mit weinenden Kindern sind nervlich am Ende. Die Leute werden immer unruhiger und agressiver. Die Grenzpolizisten lassen sich nicht aus der Ruhe bringen. Zwei Schalter welche nur für Diplomaten reserviert sind könnten ja wenigstens für Familien, ältere Personen oder handicapierte Personen geöffnet werden? Fehlanzeige!

 

Türkei – leider nein

Nach dreieinhalb Stunden habe ich es geschafft. Verschwitzt und nervlich am Ende, passiere ich endlich die Grenze. Sorry Türkei aber mit diesem Vorgehen hast du dich selbst disqualifiziert. Ich habe in meinem Leben schon einige Grenzübergänge hinter mich gebracht aber so etwas habe ich bisher nicht mal im Ansatz erlebt. Wie da mit Menschen umgegangen wird ist ein absolutes no-go und es hilft nicht, meine bereits zwiegespaltene Meinung über das Land ins Positive zu kehren. Im Gegenteil. Am liebsten würde ich sofort durchs ganze Land fahren, damit ich möglichst schnell wieder raus kann. Sehr schade.

 

So erlebt Roger den Grenzübertritt

Ich hat es im Auto einiges komfortabler und geniesse die Vorzüge von Essen, Trinken, Sitzen und Bewegen an der frischen Luft. Aber auch ich benötige für den Grenzübertritt 3.5 Stunden. Wenn aus vier Spuren eine wird und das mit der östlichen, eher offensiven Fahrweise kumuliert, wird es eng. Es passt keine gefaltete Zeitung zwischen die einzelnen Fahrzeuge und keiner gibt nach. Da wird gedrängt was das Zeug hält. Zum Glück ist Pucci gross, macht Eindruck und hat Abstandssensoren. So kann ich bis auf wenige Zentimeter zufahren und drängle ebenfalls auch was das Zeug hält. Man muss die jeweiligen Eigenschaften des Landes annehmen. So geht Integration, wenn auch nur temporär.

Es ist ja nicht so, dass die türkischen Zöllner jedes Auto intensiv kontrollieren. Nein, die Arbeitsweise bei der eigentlichen Passkontrolle ist kompliziert und langsam. Ich kann nicht am gleichen Schalter den Pass und die Autopapiere kontrollieren lassen.

So treffen wir uns Stunden später auf der türkischen Seite wieder. Barbaras Emotionen kochen immer noch hoch und sie ist schockiert über die Zustände an der türkischen Grenze.

Im Nachhinein erfahren wir von anderen Reisenden die gleichen Geschichten. Die Rekordhalter unseres Wissens benötigten 6 Stunden für den Grenzübertritt!

 

Auf dem Weg zum Sumeli Kloster

Der einzige Fixpunkt welchen wir auf dem Transit durch die Türkei haben, ist die Besichtigung des Sumeli Klosters. Wir fahren nach dem Grenzübertritt in diese Region und übernachten bei einem Restaurant mit einem kleinen Camping. Die Besitzer sind sehr nett und nach einer warmen Dusche und sehr leckeren Köfte, kommen wir mit einem türkischen Motorradfahrer ins Gespräch. Dieser spricht gut Deutsch. Der Austausch ist sehr interessant und wir lernen viel über die Türkei und das Leben in diesem Land. Nebenbei werden wir von den Campingbesitzern mit frischen Feigen und Pflaumen verwöhnt. So findet dieser Tag doch noch einen versöhnlichen Abschluss.

Hier sind sie wieder, die gemischten Gefühle für die Türkei. Die unendliche Gastfreundschaft der Menschen im Gegensatz die Regeln des Landes.

 

Sumeli Kloster

Am nächsten Tag fahren wir zum Sumeli Kloster. Bereits etwas unterhalb bezahlen wir den Eintritt für das Kloster. Etwas weiter den Berg hoch müssen wir Pucci auf einem Parkplatz abstellen. Ab hier kann man sich, gegen Bezahlung, mit Kleinbussen zum Kloster chauffieren lassen. Wir entscheiden uns dagegen und laufen die 4 Kilometer den Berg hoch. Das Kloster liegt eindrücklich in eine Felswand eingebettet. Es wird unglaublich viel Geld investiert und die renovierten Gebäude verlieren unseres Erachtens zu viel an Authenzität.

Was uns aber am meisten abschreckt, sind die Menschenmassen, welche sich durch die engen Durchgänge und Treppen wälzen. So machen wir uns bald wieder auf den Rückweg. Beim Verlassen des Parkplatzes fällt dann tatsächlich noch eine zusätzliche Parkplatzgebühr an. Kaum in der Türkei, kommt schon wieder das unschöne Gefühl der Abzocke auf bei den touristischen Objekten. Obwohl das Kloster von unten eindrücklich ist, kann man dieses unseres Erachtens auch gut auslassen.

 

Kilometer abspulen

Die nächsten Tage sind hauptsächlich mit Fahren und mit kleinen Highlights geprägt. Bei einem Restaurantbesuch werden wir von einem Paar angesprochen, welches in der Nähe von unserem Wohnort lebt. Bei den Übernachtungen treffen wir zufällig zwei Mal unsere russischen Bekannten wieder, welche wir bereits in Batumi als Nachbarn hatten. Auf der Strecke nach Istanbul gibt es unzählige Übernachtungsmöglichkeiten. Dass wir sogar zwei Mal den gleichen Platz aufsuchen und sie neben uns stehen, ist ein riesen Zufall. Es ist immer wieder toll andere Reisende zu treffen und sich mit ihnen auszutauschen. Zum Glück geht die (in diesem Fall russische) Kommunikation heute noch viel einfacher mit Hilfe einer Übersetzungs-App.

 

Erdogan kreuzt unsere Wege

Auf dem Weg zum einen Übernachtungsplatz haben wir Glück, dass wir ein paar Minuten vor einer Strassensperre durchfahren. Wir erfahren dass Präsident Erdogan in der Gegend ist, um einen Haselnusspreis zu verleihen. Die Region ist bekannt für den Haselnussanbau. Offenbar hat er kurz nach uns diese Strasse passiert und deswegen wurde alles grossräumig abgesperrt. Da wir in der Nähe eines Flughafens übernachten, sehen wir mehrere Militärhelikopter kommen und gehen. Auch die Strassen sind mit unzähligen Türkei und Erdoganantliz Fahnen geschmückt. Er grüsst auch von vielen Riesenplakaten. Einmal mehr zu viel des Guten.

Auf unserer Weiterfahrt am nächsten Morgen überholen wir den Konvoi, auf welchem Erdogans Sicherheitsfahrzeuge auf Lastwagen wieder abtransportiert werden. Flankiert werden diese durch Polizeifahrzeuge. Was uns zu Gute kommt, auf allen Kreuzungen stehen Polizisten bereit und winken uns vorbei, auch wenn die Ampeln rot sind.

Nach vier Fahrtagen durch die Türkei ist es soweit. Wir überqueren nördlich von Istanbul den Bosporus und sind somit zurück auf dem europäischen Kontinent.

 

Fazit Türkei

Die Türkei ist für uns das Land mit den meisten gespaltenen Emotionen. Das Land ist extrem vielseitig und die Landschaften wunderschön. Wir durften tolle Leute und die unglaubliche Gastfreundschaft kennen und schätzen lernen.

 

Kontrolle total

Andererseits sind die allgegenwärtige Überwachung und Kontrollen und im Osten der Türkei die vielen bewaffneten Militär und Panzerfahrzeuge sehr ungewohnt für uns. Die penetrante Präsenz vom Präsidenten ist allgegenwärtig. Wenn man mit Einheimischen spricht und deren Meinung zum Regime hört und wie sie darunter leiden, kommt einem die Situation sehr abstrus vor. Ich habe mir sogar überlegen müssen, was ich in die Blogs schreiben soll, im Wissen, dass wir das Land nochmals durchqueren. Vielleicht etwas Paranoia? Wer weiss aber ich wollte auf Nummer sicher gehen und keine Probleme auf der Rückreise haben. Deshalb folgt das Fazit auch erst jetzt.

Ein weiteres Thema ist das Empfinden für mich als Frau (siehe Blog Van See). Nach der Einreise nach Georgien, war es für mich sofort wieder ein viel entspannteres Reisen. Es hilft ungemein, wenn man nicht ständig darüber nachdenken muss z.B. welche Kleidung angebracht ist. Oder ob ich jemanden Grüsse ohne ignoriert zu werden oder böse Blicke erhalte.

 

Bauen ohne Ende

Was uns auch auffällt, ist die grosse Bautätigkeit. Es werden achtspurige Autobahnen gebaut, welche jedoch kaum befahren werden. Hochhäuser spriessen wie Pilze aus dem Boden, viele davon stehen jedoch leer. Diese Milliarden sollten, unseres Erachtens, lieber in eine korrekte Abfallentsorgung-/wiederaufbereitung investiert werden. Da ist dringend Handlungsbedarf.

Aber die Reise durch die Türkei war definitiv ein spannendes Erlebnis, welches wir nicht missen möchten. Wir nehmen viele tolle Erinnerungen mit und sind dankbar, dass wir diese Erfahrung machen durften.

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